Entwicklungspolitik: Entwicklungstheorie

Entwicklungspolitik: Entwicklungstheorie
Entwicklungspolitik: Entwicklungstheorie
 
In der Entwicklungstheorie wird versucht, die Entstehung der Unterentwicklung zu erklären, um hieraus Ansätze für geeignete und umsetzbare entwicklungspolitische Strategien abzuleiten. Bei der Erklärung der Ursachen von Unterentwicklung stehen Ansätze, die die Unterentwicklung durch endogene (innere) Faktoren erklären, im Gegensatz zu Ansätzen, die exogene (äußere) Faktoren in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung stellen.
 
 Nicht ökonomische Theorien der Unterentwicklung
 
Zu den ältesten außerökonomischen Erklärungsansätzen gehören die Klimatheorien. Ungünstige klimatische Bedingungen wie Hitze, Regenzeiten oder Dürre senken die Produktivität der arbeitenden Menschen und die Ergiebigkeit der landwirtschaftlichen Produktion. Tatsächlich liegen die meisten Entwicklungsländer in den Tropen oder Subtropen und mit zunehmender Entfernung zum Äquator scheint der Entwicklungsgrad der Volkswirtschaften zu steigen. Daneben erklären psychologische Theorien die geringere Produktivität der Arbeit in den Entwicklungsländern durch religiöse Verhaltensweisen, fehlende soziale oder regionale Mobilität und einen geringeren Leistungswillen.
 
Die Modernisierungstheorie baut auf diesen geographischen und psychologischen Erklärungsansätzen auf, indem sie die Gründe für den geringeren Entwicklungsstand, also die geringere Modernität, v. a. in den inneren Umständen der Entwicklungsländer sucht. Eine hieraus abgeleitete Entwicklungsstrategie müsste sich daher auf ökonomische und kulturelle Maßnahmen konzentrieren, um den gesellschaftlichen Entwicklungsprozess (Lebensstandard, Demokratie und Partizipation, Produktivität etc.) zu verbessern.
 
 Ökonomische Theorien der Unterentwicklung
 
Ein Grund für die Unterentwicklung wird darin gesehen, dass in den Entwicklungsländern die Bevölkerung weit stärker wächst als das Pro-Kopf-Einkommen. Da die Sterberate aufgrund medizinischer Fortschritte auch in den Entwicklungsländern sinkt, die Geburtenrate jedoch nach wie vor hoch ist, wird von einer Gefahr der Bevölkerungsfalle gesprochen. Ebenso wird der Teufelskreis der Armut als eine Art Regelmechanismus verstanden, in dem negative Faktoren wirken, die gleichzeitig Ursache und Wirkung für andere Negativfaktoren sind. Daher sollte an einer Stelle dieses Teufelskreises der Eingriff durch die Entwicklungspolitik erfolgen.
 
Ein Teil der ökonomischen Erklärungsansätze sieht die Ursachen der Unterentwicklung in den Außenhandelsbeziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern (Dependenztheorien). Aus historischen Gründen, hauptsächlich in Folge des Kolonialismus, kam es zu Abhängigkeitsbeziehungen und ungerechten wirtschaftlichen Strukturen. Problematisch ist, dass der Exportsektor meist auf wenige oder sogar ein Exportgut spezialisiert ist. Häufig hat sich eine dualistische Wirtschaftsstruktur entwickelt, das heißt, neben einem großen traditionellen Wirtschaftssektor zur Selbstversorgung steht nur ein kleiner, moderner, auf die Nachfrage der industriellen Länder ausgerichteter und von ihr abhängiger Exportsektor. In diesen wird das verfügbare Kapital investiert. Allerdings waren nicht alle heutigen Entwicklungsländer Kolonien. Außerdem haben die Kolonialmächte Beiträge zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung ihrer Kolonien geleistet.
 
 Entwicklungsstrategien
 
Traditionell versuchte die Entwicklungspolitik durch eine Erhöhung der Sparquote und der Kapitalproduktivität oder durch Kapitalimporte wie Direktinvestitionen oder Kredite die wirtschaftliche Entwicklung und das Wachstum zu verbessern und Industriesektoren aufzubauen. Eine Begrenzung von Importen sollte den Konsum inländischer Produkte und neue Industriezweige im Inland fördern (Importsubstitution). Negative Folgen dieser Strategie waren jedoch häufig die weitere Verstärkung der Einkommensunterschiede. Erst in den 1970er-Jahren stellte man infrage, dass Wachstum überwiegend auf Industrialisierung beruhen muss. Nach der vom Internationalen Arbeitsamt entwickelten Grundbedürfnisstrategie kann der Wachstumsprozess in einer Volkswirtschaft erst beginnen, wenn die Grundversorgung gesichert ist. Durch eine Förderung der Landwirtschaft, Infrastrukturmaßnahmen und Landreformen sollen die akuten Probleme wie die anhaltende Armut und wachsende Einkommensungleichgewichte gemindert werden. Ziel einer solchen nachhaltigen integrierten ländlichen Entwicklung ist es, zuerst die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern und dann die Ausfuhr von traditionellen Exportgütern wie landwirtschaftliche oder mineralische Rohstoffe auszuweiten und schließlich neue exportorientierte Wirtschaftszweige aufzubauen. Eine Ausweitung der Exportpalette (Exportdiversifikation) soll weiterhelfen, die Abhängigkeit bei einseitiger Wirtschaftsausrichtung zu vermindern. Die Entwicklungsländer befürchten jedoch, dass die Industrieländer ihnen im Rahmen einer solchen Entwicklungsstrategie die moderne industrielle Technologie vorenthalten könnten.

Universal-Lexikon. 2012.

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